„Weil Menschen immer mehr funktionieren müssen.“

04. Januar 2016

Ehrenamtsempfang

Haßfurt. Um die Würdigung ehrenamtlicher Tätigkeit ging es bei einem Abend in der Haßfurter Stadthalle, den die SPD am Mittwoch organisierte. Als besonderer Gast hielt der Fraktionsvorsitzende der SPD im bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher, eine Rede, in der er die Bedeutung des Ehrenamtes herausstellte.

„Ich freue mich, dass so viele von Ihnen Zeit gefunden haben“, freute sich die Schweinfurter Landtagsabgeordnete Kathi Petersen und dankte den Menschen für ihr vielfältiges Engagement. „Ohne Sie wäre unsere Gesellschaft ärmer und kälter.“ Eingeladen waren zum „Ehrenamtsempfang der Bayern-SPD Landtagsfraktion für den Landkreis Haßberge“ Personen, die sich für andere Menschen einsetzen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Daneben waren mit Günther Werner aus Haßfurt, Jürgen Hennemann aus Ebern, Karl-Heinz Kandler aus Kirchlauter und Helmut Dietz aus Untermerzbach auch vier Bürgermeister aus dem Landkreis dabei.

Nach dem Bürgermeister folgte mit Markus Rinderspacher, der als Fraktionsvorsitzender der SPD auch Oppositionsführer im bayerischen Landtag ist, der Hauptredner des Abends. Dieser ging zunächst auf das Thema „Ökonomisierungswahn“ ein und sprach von der Frankfurter Buchmesse, auf der große Regale voll mit Büchern gestanden hätten, die sich um das Thema Selbstoptimierung drehten. „Weil Menschen immer mehr funktionieren müssen“, beschrieb er einen Trend, den er als falsch empfinden. „Ihre Organisationen stehen nicht für die Effizienz des Individuums, sondern für Solidarität“, schlug er die Brücke zum Ehrenamt. „Geben kann eine Wohltat sein, wenn es auf fruchtbaren Boden fällt“, beschrieb er zudem die positive Wirkung, die ehrenamtlicher Einsatz auch für die Helfer haben kann. Weiter beschrieb er die Rolle der Ehrenamtlichen als „sozialer Kitt“ in einer immer weiter auseinanderdriftenden Gesellschaft. Denn Helfer würden einfach zusammenarbeiten, ohne darauf zu schauen, ob der andere Arm oder Reich ist, oder welchen Bildungsstand er hat. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch einen Trend in der Gesellschaft. Wo es früher noch ein gegenseitiges Verständnis füreinander gegeben habe, herrschten nun Gegenseitige vorurteile vor: Auf der einen Seite die Geizhälse mit Konten in Lichtenstein, auf der anderen Seite faule Menschen, die nur vor dem Fernseher sitzen und nicht arbeiten wollen. Zwar gebe es auch diese Menschen, doch sie seien nicht die Mehrheit. „Im Ehrenamt gibt es kein oben und unten“, sagte Rinderspacher, warum er glaube, dass der gemeinsame Einsatz derartige Vorurteile abbauen kann.

Weiter hob er hervor, wie viele Aufgaben, die essentiell für das Leben der Menschen sind, ohne Bezahlung geleistet werde. „Der Staat würde sonst zusammenbrechen.“ Lange sprach er über den SPD-Politiker Wilhelm Högner, Ministerpräsident in der Nachkriegszeit und „Vater der bayerischen Verfassung“. Dabei lobte er vor allem die sozialen Ansätze, die Högner in der Verfassung untergebracht hatte. Weiter ging er darauf an, dass Högner seinerzeit „die größte Flüchtlingskrise der deutschen Geschichte“ gemeistert habe, als 1,9 Millionen Menschen aus den Ostgebieten kamen. Einem Zwischenruf „Aber das waren alles Deutsche“ entgegnete Rinderspacher: „Ja, aber sie waren damals sehr unbeliebt.“ Dennoch hätte Högner für Integration gekämpft, „ohne Rücksicht auf seine Wahlergebnisse.“

Insgesamt müsse sich sowohl die politische Rechte als auch die politische Linke von ihren Lebenslügen verabschieden, sagte Rinderspacher. Als Fehler der linken Seite bezeichnete er die Einstellung „Das klappt schon“, bei der zu wenige Regeln gesetzt werden. „Natürlich muss die deutsche Sprache gelernt werden“, beschrieb er eine wichtige Voraussetzung für Integration. Auf der anderen Seite müssten auch die konservativen anerkennen, dass Bayern längst ein Einwanderungsland sei. Markus Söder, der kürzlich laut über Zäune an der deutschen Grenze nachgedacht hatte, warf er vor, „aus der Geschichte nichts gelernt“ zu haben.

Bild

Der SPD Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag Markus Rinderspacher im Gespräch mit dem Eberner Bürgermeister Jürgen Hennemann, der Landtagsabgeordneten Kathi Petersen und SPD Kreisvorsitzenden Wolfgang Brühl.

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