Sozialstaat 4.0 - sicher, gerecht und selbstbestimmt

20. November 2016

Franken in Berlin

Betriebsrat und IG Metaller Paul Hümmer sorgt sich um Sozialstaat

Sand. Der deutsche Sozialstaat steht nach Ansicht der Gewerkschaften vor neuen und gravierenden Herausforderungen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Globalisierung muss mehr denn je der Zusammenhalt und das Zusammenstehen der Beschäftigten in den Betrieben und in unserer Gesellschaft durch den Sozialstaat gewährleistet werden, meint Paul Hümmer, Betriebsrat und IG Metaller aus dem Landkreis Haßberge. Er nahm, kürzlich als Vertreter des IG Metall Bezirks Bayern am Sozialstaatskongresses in Berlin teil.

Wie gestalten wir einen gerechten und zukunftsfesten Sozialstaat in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung? Wie können Gesetzgebung, Tarifpolitik und betriebliche Regelungen so ineinandergreifen, dass der Wandel der Arbeitswelt zu mehr und nicht weniger sozialer Sicherheit und Teilhabe für alle Menschen beiträgt? Diese Fragen wurden auf dem Kongress „Sozialstaat 4.0 - sicher, gerecht und selbstbestimmt“ unter den Betriebsräten sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Politik diskutiert.

Um den Sozialstaat zukunftstauglich zu machen, müsse jetzt deutlich umgesteuert werden. Dabei gehe es um die Gestaltung der Arbeit der Zukunft mit einer Arbeitszeitpolitik, die die Beschäftigten sowie ihre notwendige Qualifizierung und Weiterbildung im Zeitalter der Digitalisierung in den Mittelpunkt stelle. Ein weiteres Ziel sind der Erhalt und die Stärkung der sozialen Sicherungssysteme. Dazu gehört auch ein Strategiewechsel in der Rentenpolitik, der eine auskömmliche gesetzliche Rente wieder zum Sicherungsziel des Sozialstaates macht, ebenso wie eine wieder paritätisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung. Die Gewerkschaftler weisen darauf hin, dass Bildung und Qualifizierung die entscheidenden Grundlagen einer funktionierenden Demokratie seien. Zugleich seien sie der Schlüssel zur digitalen Ökonomie. "Deshalb muss Lernen, Bildung und Weiterbildung während des gesamten Erwerbslebens mit einem individuellen Rechtsanspruch verbunden werden. Der Zugang zu Bildung und Weiterbildung müsse als öffentliches Gut selbstverständlich werden, fordert Paul Hümmer mit den Teilnehmern.

Einen fulminanten Auftritt der von den Teilnehmern mit großer Zustimmung aufgenommen wurde hatte Andrea Nahles, Bundesarbeitsministerin: "Wir haben es selbst in der Hand, dass auch in der Arbeitswelt der Zukunft Gerechtigkeit herrscht - faire Löhne, gute und gesunde Arbeitsbedingungen, Teilhabechancen. Darum muss unser gemeinsamer Anspruch sein, anzupacken und zu gestalten. Dazu gehört, die Tarifbindung und die Sozialpartnerschaft wieder zu stärken. Dazu gehört auch, zu gerechten und selbstbestimmten Arbeitszeiten zu kommen - und sie in der Arbeitswelt der Zukunft zu erhalten. Zentral sind drittens Bildung und Weiterbildung: Da brauchen wir verbriefte Rechte; die BA kann und muss zur Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung werden", so die Ministerin unter dem Beifall der Teilnehmer. In der Diskussion brachte Paul Hümmer ein, dass man wieder einen stärkeren öffentlichen finanzierten Arbeitsmarkt braucht. Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit dürfe nicht vernachlässigt werden. Ohne eine stärkere Beteiligung der großen Unternehmensgewinne und der hohen Kapitalvermögen wird eine Sicherung und Weiterentwicklung des Sozialstaates nicht gelingen. Wer nicht die Frage stellt: Wie wird der Reichtum verteilt, wird scheitern, gab Paul Hümmer in der Diskussion zu bedenken.

Der Sozialstaat ist bei der Einführung und in keiner Epoche seiner Geschichte einfach so vom Himmel gefallen. Immer war und ist er das Resultat politischer und gewerkschaftlicher Aktivitäten. Die Innovationen in der Sozialpolitik kamen häufig aus den Betrieben, wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder die Absicherungen bei Arbeitsunfällen. Stets waren die Beschäftigten mit der Motor, waren sich die zwei Franken, Jürgen Wechsler (IG Metall Bezirksleiter Bayern) und Paul Hümmer (Konzernbetriebsrat der FTE automotive Ebern, rechts), einig.

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