Viele Besucher kamen zur Vorführung mit anschließender Diskussion ins Kino. Der Männeranteil war allerdings gering. Foto: Peter Schmieder
Auf dem Podium: Nach dem Film diskutierten (von links): Die Polizistinnen Mona Lier und Maria Stark, Moderatorin Johanna Reinwand aus Bamberg, Helmut Will vom Weißen Ring, MdB Sabine Dittmar und Frauenhausleiterin Gertrud Schätzlein.
Am 8. März war internationaler Frauentag. So stand im Zeiler Kino das Thema „Gewalt gegen Frauen“ auf dem Programm: Gezeigt wurde im Capitol Theater der Film „Die Ungehorsame“, im Anschluss gab es eine Podiumsdiskussion zum Thema. Das Kino war bei der Veranstaltung gut besucht, der Männeranteil im Publikum hielt sich in Grenzen. „Häusliche Gewalt ist keine leichte Kost“, sagte Sabine Dittmar vor der Filmvorführung. Die SPD-Bundestagsabgeordnete hatte die Aufführung des Films im Landkreis Haßberge initiiert. Für viele Frauen und Kinder sei diese Form von Gewalt alltäglich. „Das ist besonders schlimm, weil sie von einem Menschen ausgeht, dem man vertraut.“
Während auf der Leinwand der vom Fernsehsender Sat.1 produzierte Film lief, herrschte im Kinosaal Totenstille, die meisten Zuschauer schienen tief bewegt von der Handlung. Die Filmhandlung begann mit den Untersuchungen am Tatort, nachdem Leonie Keller (Felicitas Woll) ihren Mann Alexander (Marcus Mittermeier) erstochen hat. Die Staatsanwaltschaft klagt sie wegen Mordes an. Im Laufe des Prozesses und während Leonies Gesprächen mit ihrer Anwältin (Alina Levshin), die auf Notwehr plädiert, sieht der Zuschauer in vielen Rückblenden die Vorgeschichte, vom Kennenlernen der beiden über Alexanders ersten Gewaltausbruch bis hin zu seinem Tod.
Deutlich zeigte der Film auch einige der Gründe, warum viele Opfer häuslicher Gewalt weiter bei ihrem Peiniger bleiben. Leonie war zu diesem Zeitpunkt bereits finanziell von ihrem Mann abhängig, außerdem wusste sie, dass er auch ganz anders sein konnte. „Danach war er total lieb“, sagte sie der Anwältin. Dazu kam auch die Angst vor dem Verlust des Sorgerechts für ihren Sohn oder die Drohung: „Bevor du mich verlässt, bring ich uns alle um.“
Die anschließende Diskussion fand in einer etwas anderen Besetzung statt als ursprünglich geplant, da die Teilnehmer „krankheitsgebeutelt“ waren, wie MdB Sabine Dittmar sagte. Auf dem Podium saßen neben ihr der Leiter der Außenstelle Haßfurt des Weißen Rings, Helmut Will, die Leiterin des Schweinfurter Frauenhauses, Gertrud Schätzlein, sowie die Polizistinnen Mona Lier und Maria Stark. Eigentlich hätte auch die für den Film zuständige Sat.1-Redakteurin Yvonne Weber an der Runde teilnehmen sollen, sie fiel jedoch krankheitsbedingt aus. Die Moderation übernahm Johanna Reinwand-Bamberg, Referentin der Frauenbeauftragten der Uni Bamberg. Eigentlich hätte auch sie eine Teilnehmerin der Runde sein sollen, doch sie sprang kurzfristig für den erkrankten Moderator Martin Sage ein. Gertrud Schätzlein bezeichnete es als positiv, dass der Film gezeigt habe, dass häusliche Gewalt quer durch alle Schichten vorkommt und kein Unterschichtenproblem ist: Der gewalttätige Mann im Film war Arzt. Auch von einem Alkoholproblem oder anderen äußeren Faktoren war nichts zu bemerken.
Sabine Dittmar berichtete, als der Film zum ersten Mal im Fernsehen lief, sei zu beobachten gewesen, dass daraufhin das Hilfetelefon besser angenommen wurde. Entsprechende Informationen und die Telefonnummer wurden auch im Abspann des Films gezeigt. „Viele wissen nicht, dass es das Hilfetelefon gibt“, sagte Dittmar. Dazu komme, dass viele Opfer sich nicht trauen, dort anzurufen, aus Angst, dass ihr Partner das herausfinden könnte. So verwies die SPD-Politikerin darauf, dass der Anruf kostenlos ist und die Nummer im Telefonverlauf gelöscht werden kann.
„Der Film hat mich betroffen gemacht, obwohl ich selbst in dem Bereich arbeite“, sagte Helmut Will. Seit über 20 Jahren engagiert er sich beim Weißen Ring, vor zehn Jahren hat der frühere Polizist die Leitung übernommen. Er beschrieb seine Arbeit und welche Möglichkeiten er hat, den Opfern zu helfen. „Menschliche Zuwendung ist sehr wichtig“, sagte er. Nachdem er das durch seine Tätigkeit beim Weißen Ring gelernt hatte, habe er sich auch als Polizist mehr Zeit für Gespräche genommen. „Die Schlüsselszene für mich war der Satz: ,Mir glaubt ja keiner?“ sagte Mona Lier, Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder. „Die Polizei trat auf, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war“, meinte sie und sagte, sie und ihre Kollegin Maria Stark seien den Film über unruhig gewesen, denn immer wieder hätte es Situationen gegeben, in denen die Polizei viel hätte machen können, wenn sie von den Ereignissen gewusst hätte.
Maria Stark erzählte mehr dazu, welche Mittel der Polizei konkret zur Verfügung stehen. Beispielsweise gebe es die Möglichkeit von Kontaktverboten. Das Motto sei: „Wer schlägt, der geht“, egal ob der Täter ein Mann oder eine Frau ist. So kam sie zu dem Punkt, dass es auch häusliche Gewalt gegen Männer gibt. Diese Fälle seien seltener, allerdings sei hier auch mit einer höheren Dunkelziffer zu rechnen, da die Schamgrenze beim vermeintlich starken Geschlecht noch höher liege.
Zur Frage, was sich gesellschaftlich ändern sollte, meinte Gertrud Schätzlein: „Die Menschen sollten wachsamer werden.“ So solle ein Nachbar oder Freund bei einem Verdachtsfall durchaus bei dem vermeintlichen Opfer nachfragen. „Bisher komme leider wenige aus dem Landkreis Haßberge zu uns“, sagte die Leiterin des Schweinfurter Frauenhauses. Positiv sei allerdings zu bewerten, dass die Leute früher kommen. „Ich habe Respekt vor Frauen, die diesen Schritt wagen.“ Die Zahlen sind alarmierend, denn glaubt man den Statistiken, so wird jede vierte Frau einmal Opfer häuslicher Gewalt. Eine Studie besagt, dass 67 Prozent der Betroffenen nicht zur Polizei gehen und nur drei Prozent gehen zu den Frauenhäusern. Aus dem Publikum meldete sich Erhard Scholl, Vorsitzender der Vereins „Männer contra Gewalt“. Dieser richtet den Blick auch auf die Täter und versucht, ihnen einen Ausstieg aus ihrem falschen Verhalten zu ermöglichen. „Dabei will ich das, was den Opfern passiert, nicht relativieren“, sagte er.
Die geringe Finanzierung des Frauenhauses Schweinfurt auch durch den Landkreis Haßberge fand die Kritik von Kreisrat Paul Hümmer, Sand. Bei einem Kreishaushaltsvolumen von über 70 Millionen Euro werden Debatten über einige hundert Euro geführt.
Gertrud Schätzlein beklagte zum Schluss, dass die staatliche Finanzierung solcher Hilfsangebote ein Problem darstelle. So müssen sich die Frauenhäuser immer noch zu einem großen Teil aus Spenden finanzieren. In Spendenboxen, die im Kino aufgestellt waren, kamen an diesem Abend 442,50 Euro zusammen.
Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar. Unter Tel. 08000/116 016 und via Online-Beratung können sich Betroffene, Angehörige, Freunde und Fachkräfte anonym und kostenfrei beraten lassen. Weitere Infos gibt es im Internet unter >www.hilfetelefon.de<