Antrag des SPD Ortsvereins Sand auf dem Bezirksparteitag in Weibersbrunn erfolgreich.
Sand/Würzburg. Gleich mehrere Anträge hatte der SPD Ortsverein Sand zum Bezirksparteitag der UnterfrankenSPD in Weibersbrunn (bei Aschaffenburg) eingereicht. Für besonderes Aufsehen sorgte dabei der Wunsch der Sander SPD, die Institutionen der Europäischen Union und ihre Mitgliedsstaaten dazu aufzufordern, die Verhandlungen mit den USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zu stoppen, sowie das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada nicht zu ratifizieren.
Der Bezirksvorstand hatte zunächst die Ablehnung dieser Forderung empfohlen. Daraufhin warf Bezirksrat Bernhard Ruß sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale und plädierte für die Annahme des Antrags. Es entspreche nicht unserem Verständnis von Demokratie und verantwortlichem wirtschaftlichem Handeln, hinter verschlossenen Türen Abkommen zu schließen, die die Menschen als Unternehmer, Arbeitnehmer und Verbraucher in gleicher Weise tangieren. Wir müssten uns in Europa die US-amerikanische Wirtschaftskultur nicht zu eigen machen. Zudem über Schiedsgerichte hinter verschlossenen Türen nur nachzudenken, verletze unser Verständnis einer demokratischen Gesellschaft. Ruß betonte ausdrücklich, dass sich alle Mitglieder des Ortsvereins Sand beim Beschluss über den Antrag zu der Thematik geäußert und sich für einen Abbruch der TTIP-Verhandlungen ausgesprochen hätten.
Offensichtlich hatte der Sander Bürgermeister die Stimmungslage der Mehrzahl der Delegierten getroffen, denn bei der Abstimmung erhielt der Antrag auf Stopp der TTIP- und CETA-Verhandlungen mit 41:35 Stimmen eine Mehrheit. „Es lohnt sich, politische Basisarbeit in den Ortsvereinen zu machen und diese dann auf die höheren Parteiebenen zu transportieren“, kommentierte Kreisvorsitzender Wolfgang Brühl (Eltmann), der ebenfalls als Delegierter an der Versammlung teilnahm, den Erfolg des Ortsvereins Sand.
Ohne größere Diskussion wurden weitere Anträge des SPD-Ortsvereins Sand angenommen: Die im Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten für befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund ersatzlos zu streichen und für ein Komplettverbot der Hochrisikotechnik Fracking einzutreten. Für Bezirksrat Ruß ist Fracking in einem Land wie Deutschland „ökonomisch, ökologisch und politisch unsinnig“ . Beim Fracking seien die Risiken für das Grund- und das Trinkwasser zu hoch und die Gefahren für Mensch und Umwelt nicht abzusehen. Der SPD Bezirksparteitag begrüßt es, dass die Umweltminister der Bundesländer eine Änderung des Bundesberggesetzes fordern, um „das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen zu verbieten. Bei den Beschäftigungsverhältnissen müssten unbefristete Verträge wieder die Regel werden. Befristete Arbeitsverhältnisse seien auf ein unvermeidbares Maß zurückzuführen. Nach Angaben des DGB sind im Regierungsbezirk Unterfranken rund 135.000 Menschen in befristeten Arbeitsverhältnissen. Das entspreche einem Anteil von 26 Prozent.
Mit einer fulminanten Rede warb Bezirksrat Bernhard Ruß erfolgreich vor den Delegierten des Bezirksparteitages der SPD Unterfranken in Weibersbrunn für einen Antrag zum Thema TTIP aus dem SPD Ortsverein Sand zur Annahme. „Wir müssten uns in Europa die US-amerikanische Wirtschaftskultur nicht zu eigen machen“, so Bernhard Ruß. Gespannt warten auf das Abstimmungsergebnis zum Antrag „Stoppt die TTIP Verhandlungen“ der Sander SPD von links Bernhard Ruß, Wolfgang Brühl und MdB Sabine Dittmar mit den Delegierten aus dem SPD Unterbezirks Haßfurt.
Der SPD-Bezirksparteitag fordert die Institutionen der Europäischen Union und ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, die Verhandlungen mit den USA über die Transatlantische Handels und Investitionspartnerschaft (TTIP) zu stoppen, sowie das Umfassende Wirtschafts- und Handelsab¬kom¬men (CETA) mit Kanada nicht zu ratifizieren.
Der SPD-Bezirksparteitag fordert die Mandatsträger im Bund und im EU-Parlament auf, in den jeweiligen Gremien dementsprechende Initiativen zu entwickeln und einzubringen und ggf. gleichgehende Initiativen zu unterstützen.
Mit diesem Freihandelsabkommen sollen nicht nur Zölle (die im Übrigen gar nicht sonderlich hoch sind) abgebaut, sondern vor allem unterschiedliche Standards als Handelshemmnisse beseitigt und zwischen den USA und der EU angeglichen werden. Mit diesen Regulierungsbestrebungen wird das Freihandelsabkommen tief in die Grundlagen unserer Gesellschaft und ihre künftige Entwicklung hineinwirken. Politik und vor allem Kreise der Wirtschaft diesseits und jenseits des Atlantiks streben dieses Freihandelsabkommen vehement an. Die Verhandlungen erfolgen bislang hinter verschlossenen Türen und werden offenkundig unter immensem Zeitdruck vorangetrieben. Die Vorgehensweise verletzt unser Verständnis einer demokratischen Gesellschaft.
So wollen die EU und die USA ihre jeweiligen Standards in ‚nicht handelspolitischen’ Bereichen vereinheitlichen. Diese angestrebte ‚Harmonisierung’ orientiert sich erwartungsgemäß an den Interessen der Konzerne und Investoren. Werden deren Standards nicht erfüllt, können zeitlich unbegrenzte Handelssanktionen verhängt werden. Oder es können auch Entschädigungen für die Unternehmen fällig werden.
Der SPD-Bezirksparteitag sieht als weitere Risiken des Freihandelsabkommens: Absenkung der europäischen Verbraucherschutz– und Gesundheitsstandards; Gefährdung der bäuerlichen, ökologischen Landwirtschaft; Öffnung für die Agro-Gentechnik; Abbau sozialer Standards sowie Absenkung von Klima– und Umweltschutzauflagen; neue Privatisierungswellen in Bereichen der Daseinsvorsorge; weitere Deregulierungen des Finanzsektors; etc.
Aus Erfahrungen mit früheren Freihandelsabkommen und Liberalisierungen sowie aus dem, was über das gegenwärtige Freihandelsabkommen an die Öffentlichkeit gedrungen ist, kommt die SPD zu einer negativen Bewertung des Freihandelsabkommens TTIP.
Die angestrebte regulatorische Harmonisierung mit der Gefährdung bestehender europäischer Umwelt– und Gesundheitsstandards müssen wir ebenso ablehnen wie die geplante Investor-Staats-Gerichtsbarkeit. Es ist nicht hinnehmbar, dass ausländische Konzerne Staaten und Regierungen vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzzahlungen verklagen können, wenn Gesetze ihre Gewinnerwartungen schmälern. Dieser Einfluss auf die Gesetzgebung wäre mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar und sittenwidrig. In einem Rechtsstaat darf die Rechtsprechung nur Aufgabe des Justiz sein.
Der SPD-Bezirksparteitag appelliert an die Verantwortlichen, verfolgen Sie einen anderen Kurs, den Stopp der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Anstelle des Freihandelsabkommens und seiner Risiken und Gefährdungen für das Allgemeinwohl benötigen wir eine andere Politikausrichtung, stehen wir doch in vielen gesellschaftlichen Bereichen am Scheideweg. Als Alternative zum Freihandelsabkommen gilt es wichtige Zukunftsprojekte für eine nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft in die Wege zu leiten.
Beispielhaft geht es um, die Schaffung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen für ein Ressourcen und Umwelt schonendes Wirtschaften und dessen politische Durchsetzung. Es gilt um Wege zu einer gerechten Gesellschaft: Abbau von Kin¬der– und Altersarmut sowie der ¬Arbeitsarmut, der Verhinderung der von Steuerflucht und einer Regulierung des Finanzsektors; es geht um öffentliche Verantwortung und¬ Zuständigkeit für zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge Gesundheit, Bildung, Wasser, Wohnen, Mobilität und vieles mehr.
Es geht um Entwicklungsziele für eine nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft.
Der SPD-Bezirksparteitag verbindet mit diesem Appell den Stopp der Geheimverhandlungen über das Freihandelsabkommen.