Bezirksrat, Bürgermeister Ruß vor dem Gesprächskreis der SPD „Wir im Haßbergkreis: Chancen, Ziele, Aufgaben“.
Bernhard Ruß, Bürgermeister von Sand, sieht sich bestätigt: „75% der bayerischen Bevölkerung ist – wie er und die BayernSPD - der Meinung, dass die wirtschaftlichen Lebensverhältnisse im Land nicht gleichwertig sind. Das bekommen fast alle bei uns im Haßbergkreis täglich zu spüren.“
Da sind die Schulkinder: „Ob Schnee oder Regen, tagtäglich werden unsere Mädchen und Jungs in andere Ortschaften verfrachtet“. Und Eltern fragen ihn, den Bürgermeister, immer wieder, ob es nicht gescheiter wäre, die Lehrer und nicht die Kinder herumfahren zu lassen. „Gewiss“, sagt er, das könne man anders organisieren, „nur da hat die bayerische Staatsregierung kein Interesse dran. Sie bezahlt die Lehrkräfte, die Gemeinden die Busse.“ Eine Gemeinde wie Sand müsse jährlich 10.000 Euro zusätzlich für diesen unbeliebten „Reisedienst“ nach Eltmann und Trossenfurt ausgeben. Und Schulgebäude wie in Zeil würden immer leerer, müssten aber weiterhin unterhalten werden.
Die Gemeinde Sand, so Ruß weiter, sei ein Pionier bei der Einführung der Ganztagesschule gewesen. Zusammen mit Zeil habe sie vor zehn Jahren dieses Angebot an der Verbandsschule Zeil/Sand eingeführt. Darüber hinaus biete die Gemeinde eine offene Mittagsbetreuung mit Hausaufgabenbetreuung an. Dafür beschäftige sie eine Erzieherin und eine Sozialpädagogin. Hier reichten die staatlichen Fördermittel bei weitem nicht aus. Die Gemeinde müsse kräftig zuschießen.
Extrakosten fallen auch bei den Kindergärten an, weil nur nach der Anzahl der Kinder geschaut werde. In Sand ist der Kindergarten bis 17.00 Uhr geöffnet, weil die Gemeinde den alleinerziehenden Müttern und jungen Eltern es ermöglichen will, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Jeder „Controller“ würde aus betriebswirtschaftlichen Gründen den Kindergarten früher schließen. Unsere Kindergärten auf dem flachen Land können nicht wie die in den Ballungszentren „arbeitsteilig“ vorgehen. Da gibt es für Eltern, die auf die Unterbringung ihrer Kinder angewiesen sind, eben keine für sie kostengünstigen Alternativen.
Das schnelle Internet ist der dritte Punkt, der Bernhard Ruß umtreibt. Denn Kindergärten, Schulen und die Kommunikation sind die Entscheidungskriterien fürs Bleiben oder Wegziehen sowohl für junge Familien als auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Dass das flache Land in Bayern beim Breitbandausbau grob vernachlässigt worden ist, ist die Konsequenz aus der Privatisierung der Post. Und wenn die CSU-Abgeordnete Bär „ein schnelles Internet in jedem Weiler“ fordert, dann lebt sie entweder in der Vergangenheit, als die Deutsche Bundespost mit staatlichen Mitteln für eine flächendeckende Infrastruktur gesorgt hat oder aber es sind leere Worthülsen. Die Förderprogramme der bayerischen Staatsregierung erfordern stets einen Eigenbeitrag der Gemeinden. Den aufzubringen, fällt vielen Gemeinden schwer.
Von der „Nordbayern-Initiative“ des CSU-Heimatministers mit 177 Millionen Euro für Unterfranken bis 2018 erhält der Haßbergekreis keinen Cent. Die Mittel flössen überwiegen in die großen Städte. Und wenn man diese 177 Millionen mit den rund 70 Millionen vergleicht, die der Haßbergkreis allein für die Renovierung seiner Schulen 2015 aufbringen muss, dann schrumpft die „Initiative“ auf eine „Goodwill-Aktion“, die ihren Namen nicht verdient.
Das flache Land, so Ruß weiter, brauche nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern echte Unterstützung. Das sehe auch der Bayerische Gemeindetag so, der die Interessen der kleineren Städte und Gemeinden immer selbstbewusster vertrete. Dabei beziehe sich der Verband auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das vor zwei Jahren entschieden habe, „dass die Gemeinden mindestens über so große Finanzmittel verfügen müssen, dass sie ihre Fremd- wie Selbstverwaltungsaufgaben ohne Kreditaufnahme erfüllen können. Darüber hinaus sollen es ihnen „freie Spitzen“ ermöglichen, zusätzliche freie Selbstverwaltungsaufgaben „in einem bescheidenen aber doch merklichen Umfang“ wahrzunehmen. Und dann zitierte Bernhard Ruß in Richtung Landkreisverwaltung: „Ist die Finanzausstattung eines Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land halten. Er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen.“
Nach dieser herben Ist-Analyse der Finanzsituation der Gemeinden im Haßbergkreis skizzierte Bernhard Ruß den Weg hin zu mehr Gerechtigkeit. Ausgangspunkte sind die Neufassungen erstens der „Steuerkraftberechnung“ und zweitens der „Bemessung der Aufgabenbelastung“. Dabei müssen u.a. die Herausforderungen des demografischen Wandels angemessen berücksichtigt werden. Neue Indikatoren müssen auf ihre Brauchbarkeit für die Berechnung abgeklopft werden, z.B. die Flächenausdehnung oder die Gebietsstruktur (Ortsteile) von Gemeinden.
Hat man auf diese Weise genauere Instrumente für die Berechnung geschaffen, kann man an die gerechtere Gestaltung des Finanzausgleichs gehen. „Denn wir brauchen nicht nur eine Reform des Länderfinanzausgleichs, sondern wir brauchen auch einen Landesfinanzausgleich, der die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse im Freistaat besser berücksichtigt“, fordert Ruß. Voraussetzung hierfür sei jedoch der politische Wille und den gebe es nur, wenn das Machtmonopol der CSU endlich gebrochen werde. Dann wäre Schluss mit dem überkommenen Zentralismus. Dann gebe es mehr Gestaltungsfreiheiten für die Gemeinden in der Fläche.
„Und dass wir Sozialdemokraten näher dran sind“, das zeigen auch die jüngsten Zahlen, denn, so Bernhard Ruß abschließend, „82% aller Menschen in Bayern wünschen sich, dass die soziale Gerechtigkeit stärker in den Mittelpunkt der bayerischen Politik rückt. Und dafür stehen wir. Dafür werden wir sorgen.“
Bild von links:
Judith Geiling, SPD-Stadträtin Hofheim i. UFr.,Bernhard Ruß, Bezirksrat von Unterfranken Sand am Main, Paul Hümmer, Kreisrat des Landkreis Haßberge und stellvertr. SDPD Kreisvorsitzender Konrad Spiegel, Vorsitzender der SPD Hofheim i. UFr.