Haßfurt/Rehau. Was wird aus den Dingen, die in der Gelben Tonne landen? Dieser Frage ging die SPD-Kreistagsfraktion nach, begleitet vom Abfuhr-Unternehmer Dominik Eichhorn und weiteren SPD-Kommunalpolitikern. Fraktionsvorsitzender Jürgen Hennemann hatte die Fahrt zur Sortieranlage der Firma Böhme in Rehau organisiert.
Dort wartete Geschäftsführer Stefan Böhme auf die Gruppe, der nicht nur durch den sehr komplexen Sortierbetrieb führen konnte, sondern auch Hintergrundwissen zum Wiederaufbereitungsprozess lieferte. Zunächst standen die Gäste aus den Haßbergen fasziniert in der großen Halle voller Förderbänder: Sie laufen hinauf und hinunter, schneller und langsamer, so wie es die Sortiervorgänge erfordern, erläuterte Böhme. Circa 80 Prozent der erfassten Menge im Haßbergkreis gehen nach Rehau, 20 Prozent nach Waldürn im Odenwald, das hänge mit der Aufteilung zwischen den unterschiedlichen Entsorgungssystemen zusammen, berichtete Dominik Eichhorn. Seine Mitarbeiter lehren die Gelben Tonnen und bringen das Material ins Zwischenlager in Bamberg. Von dort geht es in Schubboden-Lkw nach Rehau. Rund elf Tonnen Material befinden sich in den Laderäumen mit einer Kapazität von 60 Kubikmetern. Das landet auf einem großen Haufen neben der Sortierhalle. Jede Gelbe Tonne werde beim Abholen verwogen. Schon da, spätestens ab Eingang in der Sortieranlage, ist das Material im System registriert und muss in allen weitern Schritten nachgewiesen werden, erklärt Böhme. Eigentlich könne dann nichts aus Deutschland ins Ausland verschoben werden und in den Meeren landen, das kontrollierten die Behörden. „Aber schwarze Schafe gibt es immer wieder mal.“ Nach China habe er auch schon, ganz legal, geliefert, aber nur die sortenreinen sauberen Folien. Dafür gab es eine große Nachfrage, bis zur Handelssperre.
Sortenrein ist aber längst nicht alles, was zur Sortieranlage kommt. Stefan Böhme zeigte Skier, große Netze und Folien aus der Landwirtschaft, wie Essensreste, Obst oder Kartoffeln, Spielzeug, Bleche, Autoreifen und Felgen, auch schon mal Geldbeutel oder sonstige Dinge. „Es gibt nichts, was nicht schon bei uns auf den Bändern gelandet ist“, sagt Böhme mit einem Augenzwinkern. „Auch alles von Beate Use.“ In der Gelben Tonne landet vieles, was nicht hineingehört. „Ungefähr 40 – 50 Prozent sind andere Materialien als Verpackung“, sagt Böhme. „Das ist nur teilweise ein Problem. Solange es Kunststoffe sind, laufen sie mit in die Verwertungswege.“ Ausgestattet mit Warnwesten (wegen dem Staplerverkehr) und mit Mützen (weil was von oben herab fallen kann) wanderten die Besucher durch die Halle, unter den ratternden Förderbändern hindurch und darüber hinweg. Zunächst wird versucht, das gelieferte Material zu vereinzeln: Plastiktüten werden in einem großen Mahlwerk aufgerissen, größere Folien möglichst zerkleinert. Beeindruckt zeigten sich die Gäste von den Infrarot-Trennern: Über schnelllaufenden Bändern registriert der Computer, wie die Materialien das Licht reflektieren und steuert Luftdüsen an, die Holz, Metalle und die unterschiedlichen Kunststoffarten auf unterschiedliche Bänder blasen. Eine Technik, die immer weiterentwickelt wird, wie Stefan Böhme erläuterte. Hier werden zum Beispiel die Kunststoffe Polyethylen und Polypropylen aussortiert. Diese werden nach Thüringen geliefert, wo sie zu Kunststoffummantelungen für Paletten umgearbeitet werden. Insgesamt sei es schwierig, so Böhme, die sortierten Kunststoffe in die Weiterverwertung zu bringen. Es gäbe zu wenige Anwendungsmöglichkeiten. Einige hätten sich bewährt, wie Leitpfosten und Bänke aus Recyclingkunststoff, wie Werkzeugkoffer für Bohrmaschinen, Putzeimer oder auch Eddingstifte. Gut nachgefragt werden auch Kunststoffgitter zum Verlegen von Plattenbelägen im Freien, die für eine Wasserversickerung sorgen. „Weitere Produkte fehlen aber noch.“
Diese Infrarot-Trenner finden sich mehrfach in der Anlage mit ihren über 90 Förderbändern, um eine möglichst gute Sortenreinheit und Aussortierung hinzubekommen. Denn vom Gesetz her müssen Recyclingquoten von 50 Prozent für Verpackungen nachgewiesen werden. Das sei nur mit möglichst guter Sortierung zu erreichen – und manchem Plastikteil, das zwar keine Verpackung ist, aber trotzdem in der Gelben Tonne landet, wie Böhme erläuterte. In einer großen Trommel, die wie eine überdimensionierte Waschmaschine aussieht werden durch den Luftstrom und die Drehbewegung die Folien von den festeren Bestandteilen getrennt.
Herz der Anlage ist der Maschinenstand. Von hier aus steuern die Entsorgungsfacharbeiter, allesamt mit Schlosserausbildung, den ganzen Komplex. Sie müssen die Anlage kennen und Störungen sofort beheben können. „Manchmal hört man am Geräusch der Laufbänder, wo etwas klemmt.“ Kaum hatte Böhme es gesagt, als Sirenen hupten und die gesamte Anlage stoppte. Das komme öfter vor, weil Störstoffe, wie Metallteile oder größere Folien, die Bänder und Lager blockieren, erläuterte der Geschäftsführer.
Metall wird relativ spät aussortiert, wenn die sogenannten Störstoffe schon weg sind. Ein magnetisches Förderband zieht Blechdosen an und transportiert sie zu einer Presse. Die Metallblöcke gehen an die Lechstahlwerke in die Hochöfen zur Herstellung von Stahl. Das Aluminium, bekanntlich nicht magnetisch, wird im sogenannten Nichteisenabtrenner, mit Wirbelstrom vom Kunststoff getrennt. „Problem sind hier immer zusammengeknüllte Alufolien, die die Maschine nicht aussortieren kann, oder mit Alu bedampfte Folien, die zu weinig Aluanteil aufweisen“, sagt Böhme. Die Tetrapacks, richtig: Flüssigkeitskartons, die aus Papier, Alu und Kunststoff bestehen, werden mit einem weiteren Infrarottrenner auf ein extra Band befördert. Diese kommen in eine Papierfabrik, die die Trennung der Stoffe vornehmen kann.
Trotz aller eingesetzten Technik und Sortierung landet etwa die Hälfte der angelieferten Stoffe in der Verbrennung: Entweder nach einer weiteren Aufarbeitung in Zementwerken oder in Müllverbrennungsanlagen. Das interessierte die Kreisräte Paul Hümmer, Helmut Dietz und Jürgen Hennemann besonders. Sie hatten sich für den Beibehalt der Wertstoffhöhe im Landkreis Haßberge eingesetzt, weil dort die Wertstoffe sehr sortenrein erfasst wurden und direkt in entsprechende Verwertungswege gegeben werden konnten. Dass die Bürger ans Mülltrennen gewöhnt sind, sei auch ein Vorteil für ihn, sagt Böhme. „Es landen weit weniger Störstoffe in der Gelben Tonne, wenn man aus einem System der Wertstoffhöfe kommt.“ Manchmal könne er anhand des angelieferten Materials sagen, aus welchem Landkreis es komme. „Dort wo permanent Aufklärungsarbeit durch den Abfallwirtschaftsbetrieb und die Kommunen betrieben wird, sind die Fehlwürfe und Restmüll in den Gelben Tonnen weniger. Man darf hier nicht nachlassen, denn die Bequemlichkeit greift überall um sich.“ Das bestätigte Kreisrat Paul Hümmer, der bedauerte, dass im Landkreis weniger Personal für die Information zur Verfügung steht. Konrad Spiegel aus Hofheim ergänzte, dass unbedingt auch aufgeklärt werden müsse, was Probleme bei der Weiterverarbeitung der Wertstoffe verursacht, damit die Stoffe gar nicht erst in die Gelbe Tonne gelangen.
Für Stefan Böhme ist das Erfassungssystem zweitrangig, wie er sagte. Das größere Problem sei, dass das Duale System Deutschland auch Verpackungen zulasse, die sich gar nicht wiederaufbereiten lassen: Steingutflaschen zum Beispiel, die die Sortieranlagen beschädigen können. Hier könne der Kreistag eingreifen, denn der entscheide letztlich, was in die Gelbe Tonne darf. Bei anderen Themen ist der Gesetzgeber gefragt: Die gängigen Menüschalen von Fertiggerichten und Fleischprodukten lassen sich nicht wiederverwerten. Manchmal können auch die Verbraucher beitragen: So sollten zum Beispiel die Papp-Ummantelungen und der Aludeckel vom Joghurtbecher entfernt werden, bevor die Kunststoffbecher und die Alustücke in der Gelben Tonne landen. Der Pappemantel kommt ins Altpapier. So kann alles recycelt werden.
Aus seiner Anlage würden derzeit 53 Prozent der Wertstoffe der weiteren stofflichen Verwertung zugeführt, sagte Böhme. Er müsse sich immer um weitere Absatzwege bemühen, um die Quoten einzuhalten. Oft bleibe aber nur die „thermische Verwertung“, sprich: die Verbrennung.
Vor dem angelieferten Wertstoffhaufen erläutert Geschäftsführer Stefan Böhme (links), was alles an „Störstoffen“ enthalten ist. Mitunter kommen sogar Skier über die Großbehälter auf den Abladeplatz vor der Sortieranlage, daneben Dominik Eichhorn vom Entsorgungsbetrieb Eichhorn.
Stefan Böhme beim Vortrag nach der Führung mit „Lützel“ (Wappentier der Stadt Ebern) überreicht vom Vorsitzenden der SPD Kreistagsfraktion, Bürgermeister Jürgen Hennemann, Ebern.
Die Firma Böhme Wertstofferfassung ist ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb, gegründet 1996 und betreibt eine eigen entwickelte Sortieranlage für Wertstoffe mit 110 Beschäftigten und einem Umsatz von ca. 15 Mio. Euro pro Jahr. Die Sammelstoffe kommen hauptsächlich aus Nordbayern und Thüringen. Es wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet.
Bilder: Paul Hümmer / Jürgen Hennemann