Bürger sollen über ihren Müll entscheiden

14. Dezember 2018

Kreisverband Haßberge: Diskussionsveranstaltung setzt sich mit Verpackungsmüll auseinander

Bürger sollen über ihren Müll entscheide

Augsfeld „Wohin mit dem Verpackungsmüll?“ – eine Frage, die den Landkreis Haßberge schon seit mehreren Monaten beschäftigt. Am Mittwochabend hatte der SPD- Kreistagsfraktion interessierte Bürger ins Hotel Goger nach Augsfeld geladen, um mit ihnen Vor- und Nachteile einer möglichen Einführung eines Holsystems mit Wertstofftonne oder -sack zu diskutieren. Tenor: Auch, wenn immer wieder in der Öffentlichkeit anders dargestellt wird: Die „Gelbe Tonne“ ist nicht nur das Gelbe vom Ei.

Was Barack Obama mit dem Müll im Landkreis Haßberge zu tun hat? Welche Rolle der ehemalige US-Präsident am Mittwochabend in Augsfeld gespielt hat? Nun, natürlich war er bei der Diskussion um eine mögliche Neuordnung der Müllentsorgung nicht leibhaftig dabei. Im Geiste jedoch war „Mr. President“ auf jeden Fall anwesend. „Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel zu spüren bekommt und die letzte, die ihn noch aufhalten kann!“ – Barack Obamas Worte schwebten wie ein Leitfaden über der Veranstaltung.

„Wir müssen genau nachdenken, was die beste Lösung für uns, aber auch für die Umwelt ist“, machte Paul Hümmer mit Blick auf die Entscheidung, vor der der Landkreis in den kommenden Tagen, Wochen oder Monaten steht, klar. „Gelbe Tonne“ – ja, nein oder jein? – so lässt sich die zu beantwortende Frage ein wenig überspitzt formulieren. Ausgangspunkt ist das von der Jungen Liste angeschobene Bürgerbegehren zur Einführung einer Gelben Tonne, das in einen Bürgerentscheid am 24. März 2019 münden könnte. Es sei denn, der Kreistag entscheidet sich zuvor für ein Holsystem, gekoppelt, so der aktuelle Stand, an eine Beibehaltung der Wertstoffhöfe.

„Die Bürger haben einst in einem deutschlandweiten Volksentscheid für das Duale System gestimmt“, erinnerte der stellvertretende Vorsitzende des SPD-Kreisverbands an die Abstimmung über „Das bessere Müllkonzept“ im Jahr 1992. „Damals gab es eine breite Mehrheit für das Bringsystem und damit auch für Wertstoffhöfe.“ Soll dieses jetzt gekippt werden, dann geht das auch Sicht des Sander Sozialdemokraten nur mit einem Bürgerentscheid. Für den sind die notwendigen Unterschriften gesammelt worden. Im März 2019 soll abgestimmt werden.

„Wir bekommen dann ein eindeutiges Ergebnis, das den Willen der Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck bringt“, macht Jürgen Hennemann, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Kreistag, klar, warum die SPD dagegen ist, dass der Kreistag schon jetzt die Weichen für eine Einführung der „Gelben Tonne“ stellt. „Die gut 8000 Unterschriften sind gerade einmal zwölf Prozent der Wahlbeteiligten“, sagt Paul Hümmer. „Also keineswegs eine Mehrheit.“ Auch wenn ein Bürgerentscheid den Landkreis wohl einen sechsstelligen Betrag kostet. Eine Summe, die dem Landkreis eine basisdemokratische Entscheidung aus Sicht der SPD Wert sein sollte. Im Vorfeld eines Bürgerentscheids hätte dann jeder die Gelegenheit, sich ein genaues Bild von den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Systeme zu machen. Auch Abfallwirtschaft und Kreis müssten nach dem Willen der SPD-Kreistagsfraktion dann detaillierte zahlen auf den Tisch legen. Die Sozialdemokraten lieferten am Mittwochabend dafür schon einmal eine Grundlage. Hol- und Bringsystem, sprich „Gelbe Tonne“ und die bisherige Trennung im Wertstoffhof wurden gegenübergestellt. Mehr Pluspunkte, das wurde in den Ausführungen von Paul Hümmer klar, konnte dabei das bewährte System verbuchen.

Der große Vorzug der „Gelben Tonne“ sei – das habe auch ein vom Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben – vor allem die Ökobilanz. Der Ausstoß an Kohlendioxid ist geringer, wenn ein Abfuhrunternehmen durch den Landkreis fährt und die Tonnen leert, als wenn die Bürger sich auf den Weg zu den 27 Wertstoffhöfen, die es flächendeckend in jeder Gemeinde gibt, machen. „Natürlich ist das Ganze für die Bürger auch bequemer“, wies Paul Hümmer auf ein zweites Argument pro Tonne hin, stellte aber die Frage, ob dieses Mehr an Komfort mit Blick auf die Umwelt eine Rolle spielen dürfe.

Wenn es nämlich konkret um die Trennung und Wiederverwertung von recyclebarem Material geht, liegen die Vorteile eindeutig beim bisherigen System. Auch das sei von der Studie bestätigt worden. „Die Verwertungsquote liegt bei bis zu 90 Prozent“, erläuterte Jürgen Hennemann. Beim Holsystem dagegen würde sie wohl auf die gesetzlich vorgeschriebenen nur 36 Prozent sinken. Was auch daran liegt, dass im Wertstoffhof sortenrein getrennt wird, während in der „Gelben Tonne“ sehr häufig so genannte Fehlwürfe anfallen, die eine Verwertung verhindern. „Die Quote von Abfällen, die eigentlich nicht in den Gelben Sack gehören, aber dort landen, liegt bei 35 bis 50 Prozent“, gab Paul Hümmer zu bedenken. Zudem erfolge die Sortierung nicht vor Ort durch den Bürger, sondern erst in großen Sortieranlagen. Aktuell sei die Trennung in den Wertstoffhöfen so angelegt, dass sie genau den Anforderungen des „Dualen System Deutschland“ (DSD) entspricht. Dafür zahlt das DSD ein Mitbenutzungsentgelt in wohl erklecklicher sechsstelliger Höhe an den Landkreis. Geld, das für den Betrieb der Wertstoffhöfe verwendet wird. Geld, das bei der Einführung eines Hol-, aber auch eines Mischsystems künftig fehlen würde. „Wer behauptet, dass die Müllgebühren gleich bleiben, wenn ,Gelbe Tonne‘ und Wertstoffhöfe parallel laufen, der irrt sich“, erklärte Jürgen Hennemann. Schon jetzt gehe das Gutachten von einer Erhöhung um 6,50 Euro je Jahr aus, bei dann beschränkten Öffnungszeiten in den Wertstoffhöfen. Für die SPD nur der Einstieg. Weitere Anpassungen nach oben seien wohl unumgänglich. „Es denkt doch hoffentlich niemand, dass Tonnen gestellt werden und Laster durch die Gegend fahren und das kostet nichts“, formulierte es Paul Hümmer überspitzt, aber deutlich.

Die Wertstoffhöfe funktionieren und seien akzeptiert erklärte der stellvertretende Kreisvorsitzende. Eine Sicht der Dinge, die auch im Gutachten des Landkreises bestätigt wird. „Der Landkreis Haßberge ist derzeit hinsichtlich der erfassten Wertstoffmengen, geringer Restmüllmengen, Akzeptanz des etablierten Entsorgungssystems sowie der angebotenen Service-Leistungen für den Bürger gut aufgestellt“, heißt es da. Die Haßbergler sortieren meist vorbildlich und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Auch weil sie sich intensiv mit dem Thema Mülltrennung befassen. Auch das ein Argument dafür, die Bürger basisdemokratisch entscheiden zu lassen, wie das Müllkonzept des Landkreises in Zukunft aussehen soll!

Teilen